1. Kapitel - Lösung des Demokratieproblems "Die Macht des Volkes"

Dieses Grüne Buch stellt die endgültige theoretische Lösung des Problems des Regierungsinstruments dar.[1]

Durch den ständigen Machtkampf, der zwischen Gruppierungen in der Gesellschaft oder Individuen existiere, entstünden nur Probleme.

So sei der Sieg eine Gruppe oder eines Individuums die Niederlage für den Rest, was der Niederlage der Demokratie entspreche.

Denn wenn der Sieger eines politischen Kampfes mit einer 51%-Mehrheit als Sieger aus dem Kampf hervorgeht ist das Gaddafi zufolge ein „diktatorischer Regierungskörper[2], da ja 49% nicht für den Sieger gestimmt haben.            

Es sind diktatorische Systeme, und es scheint klar, dass sie die wahre Demokratie verfälschen.[3] Es geht eindeutig hervor wie Muammar al-Gaddafi zu demokratischen Regierungssystemen, wie z.B. dem in Deutschland, steht.

Laut Gaddafi sind Parlamente undemokratisch, da sie ein „legalistisches Hindernis zwischen dem Volk und der Machtausübung[4] darstellen, weil Parlamente nur Parteien und nicht das Volk repräsentieren. Er ruft sogar zur Volksrevolution auf um Repräsentation zu verhindern.

Folglich hat das Volk das Recht zu kämpfen, durch die Volksrevolution die Instrumente zu zerstören, die die Demokratien widerrechtlich in Besitz nehmen und sie dem Einfluss der Massen entziehen.[5]

Muammar al-Gaddafi steht zu Parteien ähnlich, wie zu den Parlamenten. „Die Partei ist die zeitgenössische Diktatur.[6] Parteien werden ihm zufolge nur gegründet um eigene Ziele zu verwirklichen und anderen die eigenen Ansichten aufzuzwingen. Außerdem schaffe das Parteiensystem die Demokratie ab.

Dies begründet er damit, dass Parteien diktatorische Herrschaftsinstrumente seien, die ihre Mitglieder dazu befähigen würden, das gesamte Volk zu regieren.[7]

Die Interessen des Volkes fallen laut Gaddafi dem Machtkampf, der zwischen den Parteien existiert, zum Opfer.[8] Darüber hinaus vergleicht er Parteien mit Sekten und Stämmen, und er schreibt, dass die Zurückweisung und Verwerfung der Herrschaft durch Sekten oder Stämme erfordert, dass die Herrschaft durch Parteien gleichermaßen zurückgewiesen und verworfen werden muss.[9]

Klasse, Partei, Sekte und Stamm gehen aus den gleichen Faktoren hervor und führen zu den gleichen Ergebnissen, d.h. sie bilden sich heraus, weil Blutsverwandtschaft, Glaube, Lebensstandard, Kultur oder örtliche Herkunft eine gemeinsame Anschauung zur Erreichung eines gemeinsamen Zieles schaffen.[10] Klassen, Parteien, Sekten und Stämme sind laut Muammar al-Gaddafi eine Minderheit, und in keinem Fall das Volk selbst. Aus dieser eigenen Aussage schließt er, dass die Herrschaft durch eine dieser Gruppen das ganze System zu einer Diktatur werden lässt.[11]                                   

Das Unterdrücken anderer Klassen, Stämme, Sekten zum eigenen Vorteil sei in einer wahren Demokratie unentschuldbar, da dadurch die „Logik der Demokratie“ preisgegeben werde und dies ein diktatorischer Handlungsakt sei.[12] Und da er demokratische Regierungssysteme, wie wir sie heute kennen, als unterdrückende Regierungssysteme bezeichnet, will er damit sagen, dass diese Regierungssysteme nichts als Diktaturen sind.                                                

Er wiederholt, dass Parteien nur zum Eigenzweck, zur Durchsetzung eigener Ziele da seien. Außerdem schreibt er, dass sich innerhalb einer neu gebildeten Gesellschaft nach und nach Strukturen und Charakteristiken, der „ausgeschalteten Gesellschaften“ bilden würden.[13]   

„Die materiellen und moralischen Normen der Mitglieder dieser Gesellschaft sind zuerst andere als die vorangegangener Herrschaftsformen, aber dann entwickeln sich die Fraktionen, die sich automatisch zu den ausgeschalteten Klassen weiterentwickeln.“[14] Damit hebt er hervor, wie Sinnlos er die bloße Existenz einer Demokratie findet.

Auch zu Volksentscheiden äußert er sich negativ, da dem Volk durch einen Volksentscheid nur eine begrenzte Entscheidungsfreiheit im Sinne der Ablehnung oder der Zustimmung, also dem „Ja“ oder dem „Nein“ ermöglicht werde.[15]

Laut Gaddafi ist eine echte Demokratie nur mithilfe von Volkskongressen und Volkskomitees realisierbar. „Alle heute in der Welt herrschenden Regierungssysteme sind undemokratisch, es sei denn, sie nähmen diese Methode an[16]. „Intelligente Menschen“ können Muammar al-Gaddafi zufolge nicht bestreiten, dass sein Grünes Buch das „Demokratieproblem“ löst.[17]   Mit dem „Demokratieproblem“ meint er die Existenz von Repräsentation, Parteien, Wahlen und anderer demokratischer Mittel. Hier zeigt sich wieder Gaddafis spezieller Charakter, da er alle, die nicht seiner Meinung sind, als dumm bezeichnet und im Grunde erst ein Problem erfindet, um es lösen zu können.

Das Prinzip der Volkskongresse und Volkskomitees stellt er sich wie folgt vor. Zuerst sollen an der „Basis“ Volkskongresse gebildet werden, die dann jeweils ein ihre Arbeiterkomitees wählen. (Je Volkskongress ein Arbeiterkomitee) Diese Arbeiterkomitees sollen dann zusammen Volkskongresse für jeden Bereich wählen. Anschließend werden von den Volkskongressen an der Basis so genannte Verwaltungskomitees gewählt, die die Verwaltung übernehmen.

Außerdem sind die Verwaltungskomitees direkt den Volkskongressen verantwortlich und kontrollieren sich selbst bei der Ausführung der von ihnen festgelegten Politik.[18]

Die Mitglieder der Volkskongresse sind Bürger, die in Beruf und Funktion und verschiedene Sektoren eingeteilt werden können. Zu diesen Sektoren bzw. Kategorien gehören Kaufleute, Arbeiter, Studenten, Bauern und andere „Gruppierungen in der Bevölkerung“.[19]

Damit begründet Gaddafi die Notwendigkeit der Bildung von „Gewerkschaften und Syndikaten“, denn die Themen, die in den „Volkskongressen an der Basis oder in den Volkskomitees, den Syndikaten und Gewerkschaften“ (Hier sieht man, dass er die politischen und die vom Volk geschaffenen Instrumente gleichwertig sieht.) ausdiskutiert werden, werden anschließend im „Generalkongress des Volkes“ ihre „endgültige Form annehmen“.[20]

Der „Generalkongress des Volkes“ setzt sich aus so genannten „Arbeitsgruppen“ der Syndikate und Gewerkschaften, der Volkskomitees und der Volkskongresse zusammen und wird einmal jährlich gebildet. Alles, was in dem Generalkongress des Volkes behandelt wird, wird danach den Volkskongressen, den Syndikaten und Gewerkschaften und den Volkskomitees vorgelegt. Danach sollen die Beschlüsse und Anliegen von den Volkskomitees unter Kontrolle durch die Volkskongresse an der Basis ausgeführt werden.[21]                                           

Hier versucht Gaddafi wieder gegenseitige Kontrolle in das von ihm als einzig wahres demokratisches Regierungssystem bezeichnete System zu bringen.

Er hebt hervor, dass der Generalkongress des Volkes keineswegs eine „Versammlung von Mitgliedern oder gewöhnlichen Personen“ ist, sondern, wie zuvor schon beschrieben, eine „Versammlung der Volkskongresse an der Basis, der Volkskomitees, der Gewerkschaften, der Syndikate und aller beruflichen Zusammenschlüsse“ ist. Deshalb sei das „Problem des Regierungsinstruments“ tatsächlich gelöst und „diktatorische Instrumente werden verschwinden“. So sei das „Demokratieproblem abschließend gelöst“, da „die Massen sich selbst regieren“.[22]      

 

 

Hier ist das „Organogramm der Volksmacht“ zu sehen, mit dem Gaddafi in dem Grünen Buch das zuvor erläuterte Regierungssystem veranschaulichen will.[23]

 

Laut Gaddafi beruht das „ursprüngliche Gesetz einer jeden Gesellschaft[24] auf der Religion und der Tradition dieser Gesellschaft. Es sei „unrechtmäßig und unlogisch[25], wenn der Gesellschaft Gesetze gegeben würden, die nicht aus ihren religiösen und traditionellen Aspekten gebildet wurden. Al-Gaddafi bezeichnet eine Verfassung als ein „grundlegendes, vom Menschen gemachtes Gesetz[26]. Somit sieht er sie als etwas Gutes. Dann begründet er aber seine Abneigung gegen die heutigen Gesetze und Verfassungen damit, dass sie nur ein weiteres Mittel der Regierungsinstrumente seien, um neue Gesetze durchzusetzen, da das Volk Gesetze, die von einer Verfassung abgeleitet wurden, eher akzeptiere. Schließlich bezeichnet Muammar al-Gaddafi den Entwurf einer Verfassung und die „Durchführung eines Volksentscheids durch heutige Wähler[27] als eine Farce, da sie in sich schon undemokratisch seien.

 


[1] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.6

[2] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.6

[3] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.7

[4] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.8

[5] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.9

[6] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.12

[7] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.12

[8] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.13/14

[9] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.16

[10] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.17

[11] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.17

[12] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.18

[13] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.19

[14] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.20

[15] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.22

[16] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.24

[17] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.25

[18] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.26

[19] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.26

[20] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.27

[21] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.27

[22] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.27

[23] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.28

[24] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.29

[25] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.29

[26] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.29

[27] Muammar al Qaddafi, Das Grüne Buch, S.32